In einer anderen Welt

Korallenriff in Taganga, Kolumbien

Stell dir vor, du tauchst ein in eine andere Welt. In eine Welt, in der dich nichts an unsere gewohnte Umgebung erinnert: Voller Farben ist sie, bunt und wild, voller seltsamer Pflanzen und Tiere, voller Leben und trotzdem gespenstisch still. Sogar die physikalischen Gesetze sind hier anders, so dass du fliegen kannst. Du kommst dir vor wie ein Ausserirdischer, denn ohne deine Luftzufuhr und deinen Anzug könntest du nicht lange überleben. Trotzdem denkst du nicht ans Heimkehren – zu viel gibt es zu sehen, zu aufregend ist das alles.

So fühlen wir uns noch immer, wenn wir Tauchen gehen: in einer anderen Welt. Jedes Mal sind wir überwältigt von der schieren Vielfalt, der Schönheit und der Andersartigkeit dieser Unterwasserwelt, die doch genauso zu unserem Planeten gehört wie das Land darüber. Auf unserer Reise konnten wir in Thailand (Ko Lanta), Kolumbien (Taganga), Honduras (Roatan), Belize (Hopkins), Mexiko (Cozumel) und Malaysia (Sipadan) die schönsten Korallenriffe besuchen. Wir fanden uns inmitten riesiger Fischschwärme wieder, suchten unter den Felsen nach versteckten Hummer, wurden von neugierigen Meeresschildkröten umkreist und sahen majestätische Adlerrochen vorbeischwimmen. Beim Betrachten der Korallenlandschaft fallen uns immer neue, kleine Lebewesen auf, deren Namen wir nicht kennen: Schnecken, Spinnen, Muscheln, Würmer, Quallen, alles in den leuchtigsten Farben.

Tauchen ist wie Meditation: Man ist ganz im Hier und Jetzt, der Alltag und die gesamte Welt über Wasser sind unendlich weit weg. Alles ist ruhig und langsam, nur der eigene Atem ist zu hören. Das Adrenalin, die Schwerelosigkeit und der Stickstoff im Blut führen zu einem angenehm angeregten Zustand. Wenn man nun noch die wunderschöne, unberührte Natur mit all ihren skurrilen Farben und Formen sieht, so ist man einfach wunschlos glücklich und zufrieden. Ein Erlebnis, das wir nicht missen möchten und euch allen empfehlen. Bilder werden dem nicht gerecht, man muss es am eigenen Leib erfahren.

In Quintana Roo, Mexiko, können wir eine neue, nicht minder aufregende Taucherfahrung machen: Der Boden besteht hier aus karstigem Kalkstein, überall sind Wasserlöcher (sogenannte Cenotes) und unterirdische Wassersysteme zu finden, in die man eintaucht. Wir probieren El Pit, einen der Eingänge zum Höhlensystem Dos Ojos. Von oben betrachtet ein flaschengrüner, tiefer Teich mit kristallklarem Wasser. Wir schleppen unsere Ausrüstung zum Rand, springen ins angenehm kühle Nass und tauchen ab. Sofort sind wir gefangen im Bann dieser Höhle: Es ist, als ob wir in einer Kathedrale schwebten, mit dem Teich als Dachfenster. Ein Lichtstrahl erleuchtet den riesigen Raum darunter, 40 Meter tief und wohl auch so breit, und erzeugt eine sakrale Stimmung. Langsam sinken wir dem Lichtstrahl entlang zu Boden. Kurz davor schwebt ein milchiger, spiralförmiger Nebel, der aussieht wie eine Galaxie. Ein Baumstamm mit kahlen Ästen ragt hinaus – so surreal wie bei Dalí.

Wir tauchen durch den Nebel (es ist Hydrogensulfat, eine Art Schwefel) und bewegen uns am Boden um den grossen Steinhaufen in der Mitte des Raumes herum. Auf der anderen Seite geht die Wand überhängend hoch zur Kuppel. Sie ist mit tausenden Stalaktiten verziert – filigraner als jede barocke Kirche. Ein Wunder der Natur, hunderttausende Jahre alt. In einer grossen Spirale arbeiten wir uns den Wänden entlang langsam nach oben. Die Dimensionen und die Schönheit der Höhle sind umwerfend. Nach 40 Minuten tauchen wir wieder auf – es kommt uns vor wie ein kurzer Augenblick, den wir hier verbringen durften. Wir sind überwältigt und ziemlich benommen.

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