Traumhafte Aussicht

pickup

Wieso fahren wir im total überladenen Pick-Up in die Berge von Kolumbien, nach Tierradentro? Eine berechtigte Frage, die wir uns nun stellen.

«Hierher zu kommen war die dümmste Idee, die wir je hatten!» zischt mir Moni zu, als Antwort auf meine Frage, ob bei ihr alles OK sei. Dabei hatte es recht gut angefangen. Am Terminal von La Plata fuhren wir sogar ein wenig zu früh los. Wir konnten zwei Plätze hinten auf der Camioneta, einem Pick-Up mit Blache über dem Laderaum, ergattern. Nur drei weitere Touristen stiegen mit uns ein. Wir setzten uns links und rechts neben die Ladeklappe, die als Ein- und Ausgang dient. So hatten wir eine wunderschöne Aussicht auf die Berglandschaft, durch die unsere Reise führt. Bis die Asphaltstrasse zu Ende war. Dann wurden wir vom Staub der Schotterpiste zugedeckt.

Im ersten Dorf stiegen drei Personen zu uns auf die Ladefläche, welche mit zwei Sitzbänkchen für je drei kleinere Hintern ausgestattet ist. Wir waren nun zu acht, obwohl uns die Dame am Ticketschalter versprochen hatte, dass der Fahrer nicht mehr als sechs Leute aufladen würde. Im zweiten Dorf warteten noch einmal vier Leute. Da unsere Camioneta die letzte des Tages ist, wollten sie alle unbedingt mitfahren. Zwei junge Herren stiegen aufs Dach. Zwei ältere, beleibte Damen quetschten sich zu uns auf die Ladefläche. «Lieber reise ich unbequem, als dass ich bis morgen warte», sagt die eine. Sie setzt sich auf meinen Schoss. Dass dies für mich auch sehr unbequem ist, scheint sie nicht zu stören. Moni sitzt eingeklemmt zwischen einer jungen Frau und der zweiten älteren Dame. Sie flucht. Und ich muss ihr Recht geben: Diese Fahrt nach San Andrés ist echt beschissen.

Kurz vor dem dritten Dorf beginnt es zu regnen. Es giesst in Strömen. Wir halten an, der Fahrer befestigt eine Blache auf dem Dach. Sie soll das Gepäck und die Fahrgäste auf dem Dach trocken halten. Dank dem Regen staubt es nicht mehr so sehr, doch wir werden nass. Im dritten Dorf klammert sich noch eine Frau hinten an die Ladeklappe. Jetzt sind wir zu zehnt. Meine Beine spüre ich nicht mehr. Sie sind tot, sage ich der Frau auf meinem Schoss. Sie rutscht auf den Rand der Ladeklappe und sagt: «Deine Beine sind wieder da, dafür bin ich bald tot».

Nach zwei Stunden erreichen wir unser Ziel, es regnet immer noch wie aus Kübeln. Tropfnass finden wir ein günstiges Hotelzimmer. Beim Nachtessen überlegen wir, wie es nun weitergehen soll. Wenn morgen nicht die Sonne scheint, können wir gleich wieder abreisen. Leonardo, der Wirt, kommt an unseren Tisch. Er erzählt uns, was es zu sehen gibt: Gräber einer mysteriösen, präkolumbianischen Kultur. Eine wunderschöne Wanderung führt zu den vier Grabstätten. Man hat eine traumhafte Aussicht. Wenn das Wetter schön ist…

aussicht

Am nächsten Morgen stehen wir früh auf. Die Sonne scheint. Wir brechen auf zum Aguacate, einem 2000 Meter hohen Berg, auf dem die schönsten Gräber zu finden sind. Es geht vorbei an unglaublich steilen Kaffeeplantagen, gespickt mit Bananenpalmen und Yuccasträuchern. Überall treffen wir Campesinos bei der Arbeit. Sie grüssen freundlich. Die Aussicht ist tatsächlich atemberaubend, man sieht auf beiden Seiten auf viele Täler hinunter. Die Gräber sind eindrückliche Höhlen, geschmückt mit Statuen und schönen Mustern. Wir geniessen jede Minute dieser Wanderung. Die anstrengende Reise ist schon fast vergessen. Nur: Am nächsten Tag müssen wir den gleichen Weg wieder zurück. Um 6 Uhr früh fährt die Camioneta, sagt Leonardo.

Kommentar verfassen