Zigarren aus Nicaragua: Weltklasse

Blanca am Arbeitsplatz

Woher kommen die besten Zigarren? Aus Kuba, würde man meinen. Doch das stimme nicht mehr, verrät mir Blanca, die ich in der Stumpenfabrik von Granada treffe.

Seit 18 Jahren rollt sie Zigarren. «Wenn du hier arbeiten willst, muss dir dein Job schon sehr gefallen», sagt Blanca Sandino, «Denn es ist ja ziemlich langweilig.» Das mag sein, mit der Zeit. Für mich aber, der das zum ersten Mal sieht, ist die Zigarrenmanufaktur im nicaraguanischen Granada ziemlich spannend: Täglich werden hier um die 1’200 exquisite Rauchbalken hergestellt, in Handarbeit. «Doña Elba Cigars» heisst die Fabrik, benannt nach der Mutter des Gründers, zwölf Mitarbeitende beschäftigt sie. Ein rot-weiss karierter Plattenboden führt mich vorbei an der Empfangstheke zum Arbeitsbereich, wo hintereinander drei alte Holzbänke stehen, fast wie früher in der Schule. Es riecht süsslich-herb nach Tabak, aus dem Radio tröpfelt Latino-Pop, an der Wand hängen Bilder von rauchenden Männern.

Vorne rechts sitzt Blanca, 39 Jahre alt, nach oben gebundenes, krauses Haar, strenger Blick. «Früher schaffte ich 700 Zigarren pro Tag, heute werde ich schneller müde, da sind es noch um die 400», erzählt sie. Das macht aber nichts: So hat sie mehr Zeit, sich um die Besucher der Fabrik zu kümmern. Ihr Partner José sitzt links und stopft drei verschiedene Tabaksorten in ein schönes, grosses Blatt. Damit rollt er die Rohzigarre, die eine halbe Stunde lang in die Presse kommt. Nun veredelt Blanca mit einem besonderen Tabakblatt, das sie auf einem Holzbrett zurechtschneidet, um die Rohzigarre wickelt, am einen Ende verschliesst und danach mit der Schneidemaschine zurechtstutzt. Das geht erstaunlich schnell.

Was sie herstelle, sei ein Qualitätsprodukt höchster Güte, erklärt mir Blanca. Ich verstehe gar nichts von Zigarren und höre gebannt zu. «Vor zwei Jahren wurde eine nicaraguanische Zigarre zur besten der Welt gekürt. Wir verstehen unser Handwerk!», erzählt sie nicht ohne Stolz. Das «Cigar Aficionado Magazine» ernannte die «Olivia Serie V» 2014 zur Königin. Und ich dachte immer, Kuba sei das Mass aller Dinge, wenn es ums Rauchen geht. «Die kubanischen Zigarren waren früher gut. Aber seit sie in den USA verboten wurden, zehren sie vom Reiz des Illegalen. Inzwischen gibt es bessere», meint Blanca.

Seit Kennedy 1963 ein Embargo gegen die verstaatlichte Zigarrenindustrie der Kommunisteninsel verhängt hat, dürfen die Amerikaner nicht mehr kaufen. Der Handel brach zusammen. Die vereinigten Staaten waren schon damals der grösste Zigarrenmarkt der Welt, die Nachfrage nach den dicken braunen Stängel riesig. Das wollten sich geschäftstüchtige Kubaner nicht entgehen lassen und wanderten aus, um mit Tabaksamen im Gepäck nach neuen Anbauflächen im Ausland zu suchen. Diese Kubaner haben den Tabak nach Nicaragua gebracht. «In Estelí, im Norden, fanden sie die perfekten Anbaubedingungen. Danach haben sie uns gelernt, wie man die besten Zigarren noch besser macht», erfahre ich von Blanca. So haben die Kapitalisten dem ebenfalls sozialistischen Nicaragua also unfreiwillig zu einer neuen Einnahmequelle verholfen.

Die Zigarren von Doña Elba werden hauptsächlich exportiert, vor allem in die USA. Sie kosten dort zwischen zwei und fünf Dollar – ein halbes Vermögen in Nicaragua. Doch reich wird man mit dem Geschäft nicht, ebensowenig mit dem Rollen von Zigarren. Als ein alter Losverkäufer zum Pult von Blanca schlurft, kauft sie ihm zwei Rubbellose ab. «Nur von ihm, denn er bringt Glück», beteuert sie, obwohl sie noch nie einen grösseren Betrag gewonnen hat. «Falls es klappt, würde ich meine Schulden abzahlen».

Das Beste, was Blanca rollt, ist ein Puro namens «Verdadero Organico». Biologisch. Klar, dass ich dieses Meisterwerk probieren will. Es schmeckt mild, süsslich, würzig und erinnert so gar nicht an die Stumpen, die alte Schweizer gerne in der Beiz rauchen. Der spezielle Tabak des «Verdadero» wird am Fusse des Vulkans Mombacho angebaut, gleich neben Granada. Ein ziemlich aufwändiger Prozess, denn die grossen Blätter seien sehr fragil, erklärt Blanca: «Wenn es zu feucht ist, verfaulen sie, wenn es zu trocken ist, schmecken sie nicht mehr. Mit Chemikalien ist das einfacher zu regeln, doch wir machen alles natürlich, von Hand». Das merkt man, finde ich, und nehme mir ein paar Zigarren mit. Wer weiss, vielleicht komme ich ja noch auf den Geschmack. Blanca raucht übrigens nur selten: «Es schmeckt mir und beruhigt mich, aber gesund ist es ja nicht».

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