Unsere Kulturperlen

Sicher sind die kulturellen Erlebnisse verantwortlich für das Reisefieber, das uns nun schon länger befallen hat. Was uns kulturell am nachhaltigsten beeindruckt hat in den letzten Monaten fassen wir hier zusammen.

Las Pozas, Xilitla, Mexico
Es ist noch kaum hell an diesem bedeckten Morgen, als wir unser Missionshotel in Jalpan verlassen und losfahren in Richtung Las Pozas in Xilitla. Xilitla ist keine griechische Kämpferin, auch kein WC-Powerreiniger, nein, in Xilitla finden wir Las Pozas, am ehesten einem Paradiesgarten gleichend, ein Ort, wo Feen ihre Einhörner halten. Die Fahrt dahin erfordert einiges an Konzentration, die Strassen haben auch schon bessere Tage gesehen und mexikanische Autofahrer sind oft nach ihren ganz eigenen Verkehrsregeln unterwegs. Wir sind mitten im dichten tropischen Wald und es hat Nebel. Eine passendere Stimmung hätten wir uns nicht wünschen können. Wir bestaunen Installationen, die mit ihren Formen und Materialien so gar nicht in die Umgebung passen, aber irgendwie genau deshalb faszinieren. Steine, Beton, Stahl, Platten und Sand bilden eigenartige Konstrukte. Treppen, die ins Nichts führen, Brücken über Bächlein, surrealistische Skulpturen und Tempelbauten. Einige gleichen Eingangstoren herrschaftlicher Villen, andere bilden liebliche, aufwendig verzierte Brunnen oder stehen da als stolze Säulen. Ihnen allen gemeinsam scheint ihr nicht (offensichtlich) vorhandener praktischer Nutzen, dieser Garten Eden dient rein der Ästhetik. Vieles ist mit Moos überwachsen, einiges rostet, Steinkonstruktionen stehen schief. Wir könnten wohl zwei Tage lang Entdecken, Staunen und uns freuen über die wunderschöne Umgebung und darüber, dass Sir Edward James mit Las Pozas viel Herzblut in sein Lebenswerk gesteckt hat, in ein Projekt ausschliesslich für die Sinne. Wie selten genug so was doch ist. Fairerweise muss man sagen, dass der englische Aristokrat in jungen Jahren zwar ganz furchtbar viel zu viel Geld geerbt, sich dennoch oder gerade deshalb einer asketischen Lebensweise verschrieben hat und er sich kaum je existentiellen Bedrohungen ausgesetzt sehen musste. Dass er mit dem aufwendigen Garten für ein gesamtes Dorf zeitweise hunderte von Arbeitsplätzen geschaffen hat, verdankt man ihm auch heute noch, 33 Jahre nach seinem Tod: Las Pozas gehört jetzt dem Dorf Xilitla, wird sanft unterhalten und ist öffentlich zugänglich.


Weltklasse Sushi, Taipei, Taiwan
Sein Ruf eilt ihm voraus: Taipei gilt als die Stadt mit dem besten japanischen Essen ausserhalb Japans. Als grosse Sushi Fans dürfen wir uns ein potenzielles Gourmeterlebnis der Meisterklasse natürlich nicht entgehen lassen. Die Wahl des passenden Lokals erfordert ein wenig Geduld und Recherche, um sich einen Überblick über die vielen empfohlenen und renommierten Lokale zu verschaffen. Unser Vermieter ist so freundlich und reserviert für uns rechtzeitig telefonisch zwei der lediglich 20 Plätze an der Bar. Wir sitzen alle nebeneinander an der Bar, dunkel ist die Ausstattung gehalten, genau richtig die Beleuchtung: im Fokus stehen die fünf Sushi-Chefs hinter der Bar. Die Unterhaltung ist hier das Essen. Ein Menu gibt es nicht, wir freuen uns auf Chef’s Choice: Auf der Schieferplatte vor uns platziert er nach und nach die edelsten Stücke – allesamt in der Königsklasse, geschmacklich wie ästhetisch. Wir schweben im Sushi-Himmel, freuen uns über altbekannte Lieblinge wie flambiertes Unagi und entdecken Neues wie Fischsperma. Letzteres hat übrigens keinen nennenswerten Eigengeschmack und gleicht von der Konsistenz her am ehesten weichem Suppen-Tofu. Nach 25 Kunstwerken sind wir pappsatt und kommen zum selben Schluss wie bereits in Japan: Werden wir je wieder so feine Sushi essen?


Dia de Muertos, Oaxaca, Mexico
Es ist Ende Oktober, wir sind Oaxaca, im Süden von Mexiko. Die lieblichen Pflastersteingassen in der Altstadt laden zum Flanieren ein, wir verstehen, weshalb die Unesco diesen Ort zum Weltkulturerbe erklärt hat. In diesen Tagen ist es besonders bunt hier in der Stadt und man trifft neben vielen fröhlichen Menschen auf fast genau so viele Totenköpfe und Skelette: Die sogenannten Calaveras sind in Hauseingängen, Schaufenstern, in Restaurants, auf öffentlichen Plätzen, in Museen, ja eigentlich überall zu sehen. Sorgfältig und mit Blumen geschmückt sind die Knochen aufgereiht oder lebensgrosse Skelette sitzen auf einem Stuhl im Café. An den Marktständen und in Bäckereien gibt es Totenköpfe in allen erdenklichen Variationen: Aus Zucker, aus Marzipan, aus Brotteig, aus Schoggi – immer sorgfältig dekoriert. Und natürlich das allgegenwärtige Pan de Muerto, das Totenbrot, ein süsses Hefeteigbebäck mit Zuckerstreusel, verziert mit einer Träne. Bald ist Dia de Muertos, der Totengedenktag. Der Tod ist hier nicht tabuisiert, nicht erschreckend und gefürchtet, sondern wird als natürliches, nicht endliches Lebensereignis betrachtet. Deshalb gleicht der Dia de Muertos auch einem fröhlichen Familienfeiertag. Einmal im Jahr kehren die Toten zurück, glauben die Mexikaner. Und um ihnen die Reise hierhin so angenehm wie möglich zu gestalten, verwandeln die Angehörigen ihre Gräber in wahre Kunstwerke. Gelbe und orange Blumenköpfe sind zu Tausenden auf und um die Gräber arrangiert. Die Farben Gelb und Orange deshalb, weil man glaubt, sie könnten von den Toten am besten gesehen werden. In den den Nächten vom 31. Oktober und 1. November feiert die ganze Familie auf dem Friedhof ein ausgelassenes Totenfest: Die ganze Nacht über ist man am Grab, zündet Kerzen an, isst, trinkt und tanzt und damit die zurückkehrenden Verstorbenen sich wohl fühlen und stärken können, bringt man den ihnen ihre Lieblingsessen und -Getränke sowie Erinnerungsstücke mit. Die Atmosphäre auf den Friedhöfen scheint eine warme, feierliche, offene und ausgelassene und dennoch fühlen wir uns, die wir als fremde Ausländer auf dem Friedhof umherlaufen, zwischendurch als unangebrachte Störefriede eines sehr persönlichen Momentes.


Saddan Cave, Hpa-an Myanmar
Die beiden weissen Elefanten stehen stolz da, links und rechts der herrschaftlich anmutenden Treppe, die zum Eingang der Saddan Caves führt. Die Höhle selber ist eine der beeindruckendsten, die wir je gesehen haben. Bereits am Eingang staunen wir über die eigenartige Ästhetik, entstehend durch eine üppige Dekoration – im natürlichen Umfeld platziert dennoch fast schon puritanisch wirkend – aus hunderten goldener Buddhas. Die Pagoda in der Mitte erscheint surreal. Den heiligen Ort betreten wir ohne Schuhe, was den Abenteuerwert unseres Besuches noch etwas steigert (nach der ohnehin schon abenteuerlichen Fahrt auf dem kreativ reparierten Alteisen mit Motor). Wir scheinen die einzigen Menschen in der Höhle zu sein. Stete Wassertropfen hören wir, sonst ist es totenstill. Und dunkel. Auf feuchtem und glitschigen Boden arbeiten wir uns ins gleichermassen unheimliche, wie faszinierende Innere der fussballfeldgrossen Höhle. Und plötzlich hören wir sie, die Fledermäuse. Vieleviele müssen es sein, wohin wir schauen, sehen wir sie hängen oder fliegen oder – vermutlich auch kacken. Wahrscheinlich spazieren wir grad barfuss über ihr Toilettengebiet. Ich kann es nur empfehlen, eine tolle Erfahrung (vergesst die Pfadi-Taufe, als ihr mit verbundenen Augen barfuss über kalte Spaghetti laufen musstet!). Über uns ragen enorme Stalaktiten, die vom Tageslicht auf der andern Höhlenseite lieblich beleuchtet werden. Ja wirklich, die Höhle ist von zwei Seiten zugänglich. Auf der andern Seite finden wir einen ruhigen See und ein gemütliches Plätzchen für ein Picknick inmitten grüner Reisfelder.

Weitere Kulturperlen finden sich im zweiten Teil dieser Serie.

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