Vom Strand direkt auf 4’000 Meter – eine dumme Idee, wie wir zu spät erkennen. Zumal sich zur Höhenkrankheit auch noch das Knochenbrecherfieber gesellt. Eine fiese Kombination, die zu Heimweh führt.
Es ist 5:30 Uhr, unser Nachtbus ist in Uyuni angekommen. Die Mitpassagiere steigen aus. Ich würde auch gerne. Aber ich kann nicht. Ich kann mich kaum mehr bewegen. Mein Rücken fühlt sich an, als ob er vom Halswirbel bis zum Becken vollständig entzündet ist. Ich hieve mich hoch, schleife mich in Richtung Türe. Es sind bloss etwa 300 Meter bis zu unserem Hostal und wir haben nur einen grossen Rucksack, den Ariel trägt. Ich werde es schaffen! Nein, es geht doch nicht. Fünfzig Meter vielleicht, unter Tränen. Ich weiss nicht, was los ist. Ariel ruft ein Taxi. Bis zum Hotelzimmer muss er mich auf den Schultern tragen.
Vier Tage zuvor kamen wir in La Paz an. Unser Flug ging von der kolumbianischen Karibik direkt zum höchstgelegenen Regierungssitz. Also von Meereshöhe, 30 Grad und 85% Luftfeuchtigkeit in wenigen Stunden auf 4000 m ü. M. , 25 Grad Temperaturunterschied und halb so feuchte Luft. Das Klima und die Höhe machen uns zu schaffen. Unsere Lungen wünschen sich mehr Sauerstoff und unsere Körper wärmere Temperaturen. Wir haben Kopfschmerzen, sind schwach auf den Beinen und würden am liebsten einfach nur schlafen. Ja, zugegeben, wir haben auch schon schlauere Reiserouten gewählt. Es war eine dumme Idee, die Akklimatisierungszeit zu ignorieren. Es wird besser werden: Coca-Tee trinken und abwarten.
Wir fühlen uns nicht besser am nächsten Morgen. Ariel kommt nicht aus dem Bett. Er schlottert und schwitzt gleichzeitig, hat keinen Appetit. Mich plagen Kopfschmerzen. Bin müde und schlapp, gleichzeitig auch sehr unruhig. Auch mich packt zwischendurch ein Schüttelfrost. Wir zwingen uns nach draussen und machen ein paar Schritte in der trotz unserem komischen Zustand sehr faszinierenden Stadt.
Auch drei Tage später geht es uns eher schlechter denn besser. Ich möchte am liebsten mein Mami anrufen. Ganz dringend. Ein deutliches Zeichen, dass ich krank bin. Krank in diesem dunklen Hotelzimmer, im durchgelegenen Bett unter vier kratzenden Wolldecken, fiebrig und mit von der trockenen Luft blutigen Nase. Meine Glieder schmerzen, vor allem der Rücken. Liegen hilft irgendwie auch nicht. Um Aufzustehen fehlt mir die Energie. Und Ariel tut mir erst recht leid: Sein Körper ist inzwischen über und über rot gepunktet. Ein juckender Hautausschlag. Seine Kopfschmerzen sind nie verschwunden, Diarrhö, hohes Fieber und Schwindel zum Dauerzustand geworden. Wir haben das Dengue-Fieber erwischt.
Überraschend ist das nicht. Wir hatten beide fast so viele Mückenstiche abgekriegt, wie Ariel nun rote Punkte vom Hautausschlag hat. In der Karibik schwitzten wir jedes Moskito-Mittel in wenigen Minuten weg, die fiesen Viecher waren immer die Gewinner. Kein Wunder also hat es uns erwischt. Beide gleichzeitig. Auch wenn wir natürlich wie stets geglaubt hatten, uns würde schon nix passieren.
Eine Tropenkrankheit in den Bergen. Wahrscheinlich gepaart mit ein paar Anzeichen von Höhenkrankheit. Was komisch klingt, finden wir grad nicht so lustig. Und legen uns im aufkommenden Selbstmitleid gleich noch ein weiteres Leiden zu: Heimweh. Es packt uns stärker als je zuvor. Vielleicht weil gerade niemand von uns die Energie für Gegensteuer hat. Die Vorstellung Zuhause zu sein, eingelullt unter einer weichen Decke, liebevoll umsorgt (vielleicht vom Mami), umgeben vom leckeren Guetsliduft, einen warmen Ingwertee schlürfend… Krank sein ist der natürliche Feind jeglicher Reiselust und Abenteuerfreude.
Gegen unser karibisches Souvenir Dengue hilft wenig. Eine antivirale Behandlung war lange überhaupt nicht möglich, seit 2015 ist nun der erste Impfstoff zugelassen. Ist man erkrankt, kann einzig Paracetamol helfen. Und Zeit. Wir sind zuversichtlich und denken, dass wir es sicher bald überstanden haben. So wie viele andere auch, die jedes Jahr daran erkranken. Dengue klingt sicherlich furchterregender als es ist. Im Grunde ähnelt die fieberhafte Infektion einer schwereren Grippe. Die Symptome sind unspezifisch und variieren ja nach Person beträchtlich und ändern sich jährlich. Es gibt die spezifischen Krankheitsverläufe, die bei ausbleibender Behandlung tödlich enden können – gemessen an der Anzahl Infizierter ist die Quote jedoch gering. Vielleicht ähnlich wie bei der Grippe.
Nach ein paar Stunden im Hotelzimmer in Uyuni kann ich wieder laufen. Selten noch habe ich einzelne Schritte so geschätzt! Ich fühle mich richtig gut. Ariel ist auch wieder fit und wir können die dreitägige Tour in die Salzwüste wagen. Statt Dengue und Heimweh packt uns nun wieder das Reisefieber.
8 Kommentare
Oh ihr arme Sieche…
aber es schint langsam wieder z go. Witerhin gueti Besserig
Druggis Tobi
Schön geschrieben, und glaubt mir: Ich kann euch nachfühlen. Mich erwischte es damals in El Salvador.
Danke, lieber Mark.
El Salvodar ist auch noch auf unserer Liste. Kannst du es uns empfehlen? Gegen Dengue sollten wir ja nun eine Weile immun sein…
Tobeli, Lieber, danke für dein Mitgefühl. Wir sind schon wieder ziemlich fit und auf dem Weg zur Peninsula Capachica in Peru, wo wir Weihnachten im familiären Kreis verbringen werden. Bei kälteren Temperaturen als ihr in der Schweiz, übrigens.
Meine Lieben,ich bin froh, dass es Euch wieder gut geht. Ich wünsche
Euch eine frohe Weihnachtszeit fern von zuhause. Für das neue
Jahr wünsche ich weiterhin viel Glück und Freude auf Eurer Weltreise
sowie gute Gesundheit. Herzliche Grüsse Ursula
Liebe Ursula, ganz herzlichen Dank! Das wünschen wir dir auch. Liebe Grüsse in die Schweiz, Monika & Ariel
Erholt euch gut :-), und schöne Weihnachten! Herzliche Grüsse aus dem weissichwasabersichernichtwinterlichen Zürich, Daniel
Merci dir, Dani. Deine Zürich-Bilder sind aber auch ohne klassische Winterstimmung sehr schön!